RB LEIPZIG-MITARBEITER THORSTEN BEEWEN BEI ANPFIFF HOFFENHEIM

Auch wenn der RB Leipzig bei der TSG Hoffenheim zuletzt mit 0:2 verlor, gab es dennoch einen Leipziger, der im Kraichgau sein Glück fand

Thorsten Beewen ist seit zwei Jahren oberschenkelamputiert und möchte mit seiner Carbonfeder durchstarten. Im Anpfiff-Pavillon in Hoffenheim trainierte er mit Diana Schütz und dem Leichtathletiktrainer Harald Sochiera das Laufen. Letzterer hatte dann noch eine Überraschung für den Gast.

Thorsten Beewen ist hoch motiviert und er hat lange für seine Carbonfeder gekämpft. Aber schnell steht er vor einer weiteren Hürde: er findet in seiner Umgebung keine Möglichkeit, das Laufen so richtig zu erlernen. „Ich hätte gedacht, dass es in einer Stadt wie Leipzig, die ja auch Sportstadt ist, ein Angebot für Amputierte gibt. In den Gesprächen mit anderen Betroffenen und meinem Orthopädiehaus musste ich feststellen: es gibt nichts. Da sucht man natürlich im Internet und sofort findet man Anpfiff ins Leben. Ein Mitarbeiter bei der TSG, den ich schon lange kenne, hat mir bei der Kontaktaufnahme geholfen.“

Die Zugfahrt von Leipzig nach Hoffenheim dauert sechs Stunden. Mit Gepäck für zwei Tage und seiner Carbonfeder macht sich Thorsten auf den Weg in den 500 Kilometer entfernten Anpfiff ins Leben-Pavillon. „Ich wollte es mir nicht selbst beibringen, weil ich mir nicht selbst Fehler beibringen wollte. Und da war ich sehr dankbar, dass ein Leichtathletiktrainer, ein Lauftrainer im Speziellen, da ist, der einen genau einweist, wie man es richtig macht. Mit der Carbonfeder ist es ein neues Rennen-Lernen.“

Richtiges Laufen fängt mit den Armen an

In Hoffenheim stößt auch Malvin Storz zu ihnen. Der Freizeitsportler ist unterschenkelamputiert und wollte wissen, wie es sich anfühlt, mit einer Carbonfeder zu laufen. Bevor die beiden loslegen, erarbeitet Harald Sochiera die Grundlagen. Er erklärt, was der Oberkörper beim Laufen macht und wie die Arme geöffnet werden. „Er hat dann von hinten und von vorne beobachtet, immer wieder mal korrigiert,“ erklärt Beewen. „Das war schon cool. Die Korrekturen sind zwingend notwendig. Es wurden auch Videos aufgenommen, dass man selbst sieht, wo man die Fehler macht.“ Sochiera ist seit 2014 Leichtathletiktrainer und seit diesem Jahr auch als Trainer für Anpfiff Hoffenheim tätig.

Malvin hat eine klare Empfehlung für Menschen mit Amputation: „Also für die, die es noch nicht gemacht haben, kann ich es auf jeden Fall empfehlen. Die sollen sich das ruhig mal anschauen und ausprobieren. Ich finde, es ist auch von Anpfiff ins Leben eine echt coole Sache, dass die so etwas zur Verfügung stellen und dass man es da testen kann.“ Malvin selbst hat noch keine eigene Feder und die Erfolgsaussichten bei der Beantragung über die Krankenkasse sind aktuell ungewiss.

Eine Herausforderung wartet am Sonntag

Thorsten Beewen bleibt noch einen Tag länger. Für sechs Euro kann man im Pavillon übernachten, das Training selbst ist kostenlos. Am Sonntag hat Sochiera eine Überraschung für den Gast: „Ich wollte die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, ihn beim Sportabzeichen zu unterstützen und den ersten Schritt zu gehen.“ Beewen ist dabei und Sochiera bereitet den Sportler gründlich vor. „Das Ganze ist nur in Kooperation mit dem Athleten möglich,“ erklärt der Trainer. „Wichtig ist auch die Absprache, wenn man bestimmte Schritte geht, dass er nicht ins kalte Wasser springt und sich dann in einer Situation wiederfindet, für die er gar nicht vorbereitet ist.“ Als sich Beewen bereit fühlt, geht es los. „Das war schon nochmal eine andere Liga. Eine echte Herausforderung. Es hat mich auch fast einmal geschmissen. Beim dritten Versuch, der dann auch der schnellste war, habe ich dann schon ein bisschen Angst bekommen, dass ich nach vorne wegfalle. Aber am Ende ist es eine großartige Erfahrung. Man ist hinterher richtig stolz darauf, dass man es geschafft hat.“

Diana Schütz ist Koordinatorin der Bewegungsförderung für Amputierte und hat das Wochenende organisiert. „Wenn man regelmäßig mit der Carbonfeder läuft, verbessert sich auch das alltägliche Gangbild,“ erklärt Schütz. „Es ist ein super positiver Effekt. Man trainiert die Muskeln, die man zum Gehen braucht, aber auf eine andere Art und Weise. Und das macht sich natürlich auch im Alltag bemerkbar.“ Das Angebot richtet sich dabei nicht nur an private Anwender: „Wir sind offen für jedermann. Auch Sanitätshäuser oder Physiotherapeuten, die sich das anschauen wollen, sind herzlich eingeladen. Und auch wenn sich ein Betroffener gerne eine Feder zulegen möchte, kann er vorher bei uns ein Wochenende lang testen. “

Beewen fährt zurück nach Leipzig, in der Hoffnung, etwas für Amputierte in seiner Region ändern zu können: „Das wird jetzt nicht von heute auf morgen funktionieren. Ich habe Kontakt aufgenommen zu Leuten, die im Bereich Inklusion und Sport etwas machen wollen oder schon machen. Bei denen versuche ich, etwas zu triggern. Unterstützung bekomme ich von denjenigen, die mich seit der Amputation beim Thema Gehen und Laufen mit der Prothese begleiten. Vieles ist einfach eine Ideensammlung, aber ich denke, da muss sich etwas umsetzen lassen.“ Er kann sich eine Anlaufstelle für Betroffene, wo man sich austauschen und motivieren kann, gut vorstellen: „Es ist so eine Idee, dass man ein Angebot wie die Bewegungsförderung für Amputierte auch in Leipzig etabliert. Am liebsten mit der Unterstützung von Diana. Wir sind aber noch ganz am Anfang.“

Erstellt von Philipp Metzler 30.11.2021

 

Mitarbeiter von RB Leipzig im Lauftraining bei Anpfiff Hoffenheim